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Aus alt mach schön

Mindestens 25 Jahre haben an der Maschine genagt. Klar, dass eine Maschine, sei sie noch so gut verarbeitet, darunter leidet. Dann auch noch russische Technik, schlechte Metallqualitäten, Schweißnähte die aussehen als ob zwischendurch das Schutzgas ausgegangen ist, macht es nicht wirklich einfacher, den Lack über die Zeit zu retten.

Dennoch sah die Dnepr erstaunlich gut aus. Aber wo will man hin. An den Schweißnähten und der generell schlechten Verarbeitung der Bauteile lässt sich nichts ändern, ist aber auch nicht notwendig. Schließlich funktioniert es ja. "Neue" Ersatzteile sehen meist schlechter aus als die verbauten Komponenten.
Also wird das gerettet, was zu retten geht und der Rest wird leidlich ersetzt.

 


Step 1: Die Elektrik

 

Erstmal eine neue Batterie kaufen und anschließen, kurzer funktionscheck von Licht blinker und Bremslicht zeigte schnell, dass hier als erstes Hand angelegt werden muss.

Schnell ging das tauschen des defekten Standlichtes und des Bremslichtes am Beiwagen.

Die Blinker wollten links aber auch nicht. Hm also wurde der Blinkerschalter geöffnet.

"Oh mein Gott" sprach eine Stimme im Kopf. "Was zur Hölle ist das? Keine Mikrochips?Platinen? Wie kann das funktionieren". Spaß beiseite, mit hochtechnischem habe ich im Schalter nicht gerechnet und nachdem die ganzen toten Spinnen und dessen Nester ausgekratzt waren konnte man auch die Bauteile erkennen. Bei dem korrodierten Zustand und den kleinen Querschnitten der Kabel kann einem ja nur schlecht werden.

Also wurde der Blinkerschalter zerlegt, gereinigt, neu verlötet und wieder eingebaut.

Ergebnis: Es tut alles wieder was es soll.

 


Step 2: Das Getriebe

 

Schon bei den ersten Gesprächen mit dem Vorbesitzer war mir klar, dass sich die Maschine nicht über den Kickstarter starten lässt. Als mögliche Ursache kam mir als erstes ein abgenutzes Zahnrad der Kickstarterwelle in den Kopf.

Um ans Getriebe zu kommen wurde der Tank abgenommen und der Motor ausgebaut. Alles in allem 1 Stunde brauchte es, bis der Motor samt Getriebe ausgebaut war. Recht schnell, wenn man keine Kenntniss von solchen Dingen hat, aber die Russen haben das im Suff hinbekomnmen und tatsächlich lief es mit einem Bastlerbier deutlich einfacher.

Das Getriebe ist mit 4 Schrauben an den Motor angeflanscht und kann so ganz einfach und sauber abgenommen werden. Da das Getriebe eine abgeschlossene Einheit ist, muss man auch nicht zwingend Motor- oder Getriebeöl ablassen.

Der Getriebedeckel lässt sich dann separat durch das lösen von ein paar Schrauben öffnen und mit einem Abzieher vorsichtig abnehmen! (Achtung! Vorsichtig abziehen, bis es plöp macht) Da ich keinen Abzieher hatte, habe ich es einfach vorsichtig mit einem Spachtel runter gehebelt.

Jetzt konnte ich den ersten Blick auf das offene Getriebe werfen. Sehr zur erleichterung konnte man keine losen Teile oder abgebrochenen Zähne im Getriebeboden sehen.

Da ich eh vorhatte nach Oberhausen zum Ural-Team zu fahren, habe ich das Getriebe in den Kofferraum geschmissen und den Fachmann mal auf das Teil gucken lassen. Zielsicher griff er zu und zog die Mitnehmer raus die sich beim runtertreten des Kickstarters verzahnen und somit die Kraft auf die Getriebewelle geht aber beim zurückfahren übereinander rutschen. Und hier lag der Fehler. Die Zähne waren durch Verschleiß abgerundet und sich auch beim runtertreten durchgerutscht. So war der Fehler schnell behoben.

 


Step 3: Die Vergaser

 

Bei der Abholung haben wir das Motorrad wegen dem kaputten Kickstarter angezogen und gemerkt, dass die Maschine nur auf einem Pott lief und die Vergaser oder in dem Fall wohl eher die Versager die Ursache sein könnten.

Nach vielem rumgefrickel lief weiterhin nur der rechte Vergaser. Im Hinblick auf Zuverlässigkeit und Spritverbrauch habe ich die K63 dann durch neue K68 ersetzt. Diese funktionierten auf anhieb in der Grundeinstellung. Die Feinabstimmung muss dann nochmal gemacht werden, wenn die Maschine zum TüV muss.

 


Step 4: Lederpflege während der Wartezeit

 

Während die Vergaser noch auf dem Postweg zu mir waren, habe ich mich schonmal an das aufarbeiten der Beiwagenplane und der Bestuhlung gemacht. Zeit kann Leder nichts anhaben, vorausgesetzt es wird gepflegt.

Manchmal brauch man auch einfach ein Erfolgserlebnis. Nach der Behandlung mit Sattelseife sah das Material auch schon viel besser aus und brauchte nur noch ein wenig gewachst werden.

Einzig der Sitz selber konnte nicht mehr gerettet werden. Das Gestell war dermaßen vergammelt und verrostet, dass nur noch der Weg in die Tonne übrig blieb. Als Ersatz wird es wohl auf eine Zargesbox mit Sitzkissen hinauslaufen in der gleichzeitig ein paar Kleinigkeiten verstaut werden.

 


Step 5: Auspuffanlage

 

Die Dnepr kommt von Werk aus mit einer Doppelrohranlage und Interferenzrohr. Der Zustand von ihr war ansich Top... von optischen Mängeln mal abgesehen. Also wurde geschliffen was das Zeug hielt. Anschließend wurden sie mit Auspufflack bis 800°C lackiert. Sicherlich ist das nicht die dauerhafteste und schönste Lösung aber in jedem Fall eine sehr kostengünstige. Bei so einem Projekt laufen die Kosten ja bekanntlich schneller davon als Usain Bolt.

 


Step 6: Räder

 

Wohl die umfangreichste und nervenraubendste Arbeit ist bis jetzt das aufarbeiten der Räder gewesen. Da die Dnepr ein Exportmodel ist, sind die Räder annähernd Rund und so also weiterhin brauchbar. Allerdings haben die Dnepr Vollnaben leider gekröpfte Speichen, die bauartbedingt einfach anfällig für Brüche sind. Es gibt aber Möglichkeiten diese Speichen dauerhaft haltbar zu machen. So richtig will ich aber an die Speichen noch nicht dran. Dafür sind sie momentan einfach in einem zu guten Zustand.

Die Räder sind optisch sowie technisch leider total abgerockt. Die Reifen sind Anno 1991, dazu russisch, die Radlager sind völlig (und damit meine ich jenseits von gut und böse) hinüber. und der überlackierte Chrom ist überhaupt nicht mehr zu gebrauchen. Die Chromfelge wurde damals einfach schwarz überlackiert. Mit der Zeit hat sich unter dem Chrom aber Rost gebildet. Dieser hat das Chrom aufgebrochen und so blättert auch der schwarze Lack immer mehr ab. Da ich sowieso die Reifen gegen Heidenau K37 (SiO2 für den Winter mit M+S Kennung) ersetze wurden die Felgen zum Sandstrahler gebracht. Eigentlich hatte ich vor die Felgen Pulverbeschichten zu lassen. Allerdings war das ganze nicht zuende gedacht, da die Speichen dafür raus müssten. Also wurde die Idee verworfen und es kommt einfach wieder Lack drauf. Solange das dann gut aussieht, kann ich mir etwas überlegen wie ich die Felgen dauerhaft haltbar mache.

Also nochmal zum Ablauf:

- Reifen abziehen

- Felgenbänder entfernen

- Sandstrahlen

- Radlager raus (das hätte ich sinnigerweise vor dem Sandstrahlen machen sollen, die Schmiere muss im nachhinein wieder vom Metall damit der Lack haften kann)

- Grundieren

- Füllern

- mehrere Schichten Decklack

- 2 Schicht-Klarlack drüber

- Neue Radlager samt Simmering einsetzen

- Felgenband (28mm Breite) und Reifen samt Schlauch aufziehen

- Radlager einstellen

- Rad anbauen

 

TIPP: Bei den Russen geht bei Lagerschalen und Wellen viel in Verbindung mit Wärme und Kälte. Die innere Radlagerschale hat mich viel Arbeit gekostet, da sie bombenfest in ihrem Sitz saß. Mit einem Bunsenbrenner ließ sie sich dann losschlagen. Die nächste Engstelle ist dann aber der Lagersitz des äußes Radlagers. Dort muss die Lagerschale dann nochmal durch. Dafür habe ich das Lager mit Kältespray eingesprüht und von außen mit Wärme gearbeitet. Zu guter letzt habe ich dann einen einfachen Außen & Innenabzieher benutzt (20€ im Stabilo-Fachmarkt). Richtige Innenabzieher kosten in der nötigen Größe locker 60€. Da die Lagerschale aber nicht mehr wiederverwendet wird, kann man es ruhig mit einem Dreiarmigen Abzieher machen.

 


Step 7: Strahl- und Lackierarbeiten

 

Der Zustand des Lacks war wirklich schlecht und das Motorrad so dem Streusalz im Winter ausliefern habe ich nicht übers Herz gebracht. Also wurde alles auseinander genommen. Der Haupt- und Beiwagenrahmen wurden Pulverbeschichtet. Die andere Komponenten in BMW Schwarz II lackiert.

Die Kleinteile kann man ganz gut selbst machen und braucht dafür nicht unbedingt einen Lackierer.

Den Beiwagen, Tank und Kotflügel überlasse ich dann aber doch lieber dem Fachmann!

Als Grundierung bzw. Grundierfüller habe ich Mipa 2K-Grundierfüller genommen. In der Spraydose ist es relativ teuer aber gerade für die kleineren Teile lohnt es sich. Die Füllkraft ist wirklich super und die Teile sind schnell schleifbar.

Auch wenn heutzutage die Schleifmittel deutlich besser geworden sind, schleife ich immernoch mit 800er bzw 1000er-Körnung Nass.

 


Step 8: Fahrwerk

 

Die Telegabel der Dnepr war in wirklich schlechten zustand. Und damit meine ich nicht den optischen Zustand. Die Gabel musste wohl mal einen Schlag abbekommen haben. Sie lief einfach nicht sauber. Nach mehreren Versuchen die Gabel wieder instand zusetzen, habe ich die Gabel komplett ersetzt. Danach klappte mit Hilfe eines eingefleischten Uralschraubers auch der zusammenbau.

Die Dämpfer der Hinterachse wurden nur am Hauptrahmen getauscht. Es gibt dazu passende Dämpfer von Sachs, bei denen man lediglich eine weitere Hüle in die Silentlager setzen muss. Das bringt ein deutliches Plus an Stabilität und Komfort.

Der Dämpfer am Beiwagenrahmen konnte mit einem Dichtungsreparatursatz wieder instandgesetzt werden.

 


Step 9: Bremsen

 

Die Bremsen des Gespanns sind mit dem Gewicht einfach maßlos überfordert. Die komplizierte Einstellung des Bremsverteilers, der die Hinterrad- sowie Beiwagenbremse regelt, tut ihr übriges.

Bei alles Bremsen sollte man auf stabile Züge achten. Die originales längen sich unter Zug.

Dann sollte man bei der Duplexbremse des Vorderrads auf einen ordentlichen Wantenspanner zurückgreifen. Auch das Bremsgestänge vom Bremsverteiler zum Hinterrad des Hauptrahmens kann stabiler ausgelegt werden. Die Ural-Zentrale bietet da sowohl das Bremsgestänge, den Wantenspanner sowie einen stabilen Bremszug für die Vorder- und Beiwagenbremse an.

Die Bremsbeläge der Russen sind nicht zu gebrauchen. Da kann ich nur die von Moto Moscow empfehlen. Gernot verwendet deutsche Beläge die vernünftig befestigt werden. Im Austausch möchte er die alten Bremsbacken haben.

Damit kann man die Dnepr bauseitig leistungsfähiger machen.

Um die beste Leistung aus der Bremsanlage zu holen, sollte man sich penibelst an die Anleitung halten. Gerade der Verteiler ist kompliziert einzustellen. Mit Bier und Geduld bekommt man das hin. Es ist mehr eine Kopfarbeit. Sobald das sauber eingestellt ist, braucht man an dem Mechanismus nicht wieder anzurühren.

Unrunde Bremstrommeln sollten auch behoben werden. Da mir die Möglichkeiten fehlten habe ich das erstmal so zusammengebaut und festgestellt, dass die Trommeln nahezu rund sind.

Eine weitere Schwachstelle ist der Bremslichtschalter des Fußbremshebels. Ich habe mir einen einfachen Schalter bei Conrad besorgt, der staub- und spritzwassergeschützt ist. Das wurde dann einfach irgendwie rangefuckelt.

 


Step 10: Elektrik die Zweite

 

Nachdem alle Teile angebaut wurden, folgte die Verkabelung mit einem vorkonfektionierten Kabelbaum.

Die erste Lichtmaschine der Dnepr war kaputt und wurde durch eine baugleiche 150W Lima ersetzt.

Diese hat funktioniert allerdings ließ der Regler bis zu 18V auf die Batterie los. Also wurden verschiedene Regler ausprobiert. Sowohl der mechanische und der elektronische Regler der Russen sind teils unzuverlässige Partner. Brauchbaren Ersatz gibt es von Hella, Beru oder den universalen der einschlägigen Russenteiledealer.

Weil das tauschen der Regler allerdings auch keinen Erfolg brachte, wurde eine Denso-Lichtmaschine mit 500W verbaut. Diese liegt zwar kostenmäßig jenseits von gut und sinnvoll aber naja was solls. Was ist an dem Ding schon sinnig.

Diese Lichtmaschine verrichtet ihren Dienst wunderbar und reduziert die Kabelage!

 


Step 11: Eeeeeeeeeeeeeeeendlich fahren!!!!

 

Man was habe ich auf diesen Tag gewartet. Endlich war die Maschine soweit zusammengeschraubt, verkabelt und durchgecheckt, dass es auf die ersten Kilometer gehen kann.

Natürlich war erstmal vorsichtiges einfahren notwendig.

 

Die ersten 300km hat die Maschine tadellos absolviert. Immer mal wieder gab es kleinere Probleme die aber völlig im Rahmen lagen und nicht nennenswert sind.

Mit der Zeit stellte sich aber ein leichtes klingeln ein. Erst nur im kalten Zustand, dann später auch im warmen...

Langsam wurde mir klar: Der Motor muss raus und ausgearbeitet werden.

 


Step 12: Motorüberholung

 

Auch wenn ich mich lange dagegen gewehrt habe, musste ich einsehen, dass nur eine Zerlegung des Motors Sinn macht und gewissheit gibt, was hier nicht stimmt. Die erste Vermutung war ein Pleuellagerschaden. Da ich nie einen Motor zerlegt habe, konnte ich auf die Hilfe eines Freundes und ebenfalls Dneprfahrers zählen.

Mein Job war es eigentlich nur den Motor auszubauen, soweit wie möglich zu demontieren und ihn in gute Hände zu geben.

Nach der Zerlegung war erstmal großen Rätselraten angesagt. Die Pleuel hatten spuren, aber keine tragischen. Die Ölpumpe wurde geplant (so sollte sie mehr Öldruck aufbauen können).

Die Lager und Dichtringe wurden durch deutsche Fabrikate ersetzt. Die eingebauten aus Kiev vertraute ich nicht mehr.

Nachdem die Pleuellager getauscht und alles wieder zusammengebaut wurde, fiel auf, dass der linke Zylinder etwas kürzer ist. Also vermutlich machte die unterschiedliche Kompression diese Geräusche. Der Motor wurde trotzdem eingebaut und laufen gelassen. Die Geräusche waren allerdings immernoch da.

Also wurde ein Satz neuer Zylinder samt Kolben bestellt. Der wurde lediglich auf der linken Seite verbaut. Der Kolben war allerdings nicht zu gebrauchen und fing bei 120°C an zu klemmen.

Ein Almotkolben wurde eingebaut und ab da war dann auch ruhe. Die Kombination hält bis heute.

 


Step 13: Auspuff die Zweite

 

Die Ärgernisse wollen nicht aufhören. Der mühsam aufgearbeitete Auspuff zerlegte sich in knapp 200km so sehr, dass er nur noch eine Rassel war und das fahren durch den sinnlos bollernden Sound schlicht unerträglich wurde.

Gernot hatte da einen guten Tipp und empfahl mir den Auspuff der links auf dem Bild zu sehen ist.

Der Sound ist geil, ohne übertrieben laut zu sein.

Passende Schalldämpfer könnte man auch einsetzen, sind aber nicht notwendig.

 


Step 14: Die ersten 1000 Kilometer!

 

Nach 1000 nahezu fehlerfreien Kilometern, machte sich noch eine Auswirkung des Zylindertausches bemerkbar. Das Ventilspiel war am Ende seines Einstellbereichs. Eigentlich komisch da die Ventile nicht verschlissen waren.

Erst nach einem Brainstorming mit meinem Kumpel kamen wir drauf, dass die Stößelstangen zu kurz sein könnten. Schließlich war auf dieser Seite der Zylinder kürzer. Da lag der Verdacht nahe, dass die Stangen auch gekürzt worden sind.

Genau das war der Fall!

 

!Es scheint also verschiedene Stößelstangen im Umlauf zu sein!

 Seit dem läuft alles einwandfrei und damit gehört das Kapitel der Restauration beendet.

 

 

Ich hoffe es hat euch gefallen und eventuell ja auch Mut gemacht, selbst ein Gespann zu restaurieren!

 

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